Homeoffice als Vorstufe zum agilen Arbeiten?


Agiles Arbeiten – einige Hintergründe

ǀ Das „agile“ Arbeiten ist nicht zuletzt seit dem vermehrten „Umzug“ ins Homeoffice aufgrund der Corona-Pandemie in aller Munde – der Begriff wird aber nicht immer so verwendet, wie er ursprünglich gemeint war. Sein Ursprung liegt im „Manifest für Agile Softwareentwicklung“ (kurz Agiles Manifest) von 2001, das eine Gruppe von Software-Entwicklern aufgestellt hat, um in großen Projekten durch neue Ansätze schnell auf erforderliche Veränderungen reagieren zu können. Das Agile Manifest enthält vier Leitsätze, die durch zwölf Prinzipien ergänzt werden. Diese zusammen ergeben den Handlungsrahmen bzw. die Leitlinien für agile Teams.

Agiles Arbeiten basiert auf eigenverantwortlicher Teamarbeit, um das zentrale Ziel, die Schaffung von Wert für den Kunden, zu erreichen. Das heißt, dass die Teams die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und das Management „nur“ unterstützende und motivierende Funktion ausübt; auch Kontrolle und Anleitung erfolgen innerhalb des Teams. Mitarbeiter können gleichzeitig in unterschiedlichen Teams mitwirken und somit auch verschiedene Rollen einnehmen.

Für agiles Arbeiten gibt es mehrere Methoden, wie z. B. das Vorgehensmodell Scrum. Voraussetzung für das agile Arbeiten sind eine positive Fehlerkultur, das Vertrauen in Mitarbeiter und der Wille, Teams eigenverantwortlich und selbstorganisiert arbeiten zu lassen. Agiles Arbeiten zeichnet sich durch Flexibilität und Dynamik aus, verlangt den Teammitgliedern aber auch etwas ab, nämlich vor allem: 

  • Transparenz (z. B. bei Statusreporten und der Durchführung von Lessons-Learned-Prozessen)
  • Selbstdisziplin (z. B. hinsichtlich der Teilnahme an regelmäßigen Meetings und der Einhaltung von Terminen)
  • Verantwortung (für die eigene Leistung im Rahmen der zu erreichenden Teamziels)
  • Abteilungsübergreifende Zusammenarbeit
  • Feedback-Kultur

Es gilt eben nicht: „Jeder macht, was er will; keiner macht, was er soll; aber alle machen mit!“


Begriffsabgrenzung: Mobiles Arbeiten, Homeoffice und Telearbeit

Mobiles Arbeiten ist eine Arbeitsform, die das Arbeiten außerhalb einer Arbeitsstätte gemäß Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) ermöglicht. Sofern die Tätigkeit an einem festen Arbeitsplatz ausgeübt wird, handelt es sich um Telearbeit, die klaren gesetzlichen Anforderungen unterliegt. Homeoffice ist eine Form des mobilen Arbeitens. Sie ermöglicht es, Beschäftigten nach vorheriger Abstimmung mit dem Arbeitgeber, zeitweilig im Privatbereich, zum Beispiel unter Nutzung tragbarer IT-Systeme (z. B. eines Notebooks) oder von Datenträgern, für den Arbeitgeber tätig zu sein. Für mobiles Arbeiten und Homeoffice gibt es mittlerweile eine Definition in der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel. Gesetzliche Vorgaben analog zur Telearbeit gibt es nicht.


Die Pandemie „fördert“ mobiles Arbeiten

Während der Corona-Pandemie wurde das mobile Arbeiten bzw. Homeoffice für viele Unternehmen eher zur Regel als zur Ausnahme oder zur Sonderregelung, um den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten zu können. Schnell stellten sich dem Management dabei Fragen zur rechtlichen Ausgestaltung (u. a. zum Arbeitsort und zur Arbeitszeit) sowie zur Führung und Kontrolle. Ersteres ließ sich mit juristischer Beratung und dem Abschluss von Zusatzvereinbarungen, Betriebsvereinbarungen, Leitlinien etc. lösen – aber wie steht es mit der Führung und Kontrolle? „Kann ich meinen Mitarbeitern vertrauen? Welche Kontrollen sollte ich durchführen? Liefern sie überhaupt die benötigten Ergebnisse? Missbrauchen meine Mitarbeiter ihre vermeintlichen Freiheiten? Wie motiviere ich meine Mitarbeiter?“ könnten einige der Fragen sein, die sich Führungskräfte stellen.

Viele Unternehmen werden während der Pandemie die Erfahrung gemacht haben, dass Mitarbeiter ihre Aufgaben verantwortungsvoll, „in time und in budget“ erledigen, dass sie über ein hohes Maß an Selbstdisziplin verfügen, selbst wenn Homeschooling, Kinderbetreuung und etwaige Störungen bei der Arbeit von zuhause aus gemanagt werden müssen. Dabei arbeiten sie ohne Vorgabe auch abteilungsübergreifend zusammen und tauschen sich untereinander aus, um ihre Arbeitsergebnisse liefern zu können. Sie sind bereit, ihren Arbeitsstatus transparent darzustellen und übernehmen Verantwortung für ihre Ergebnisse.

Mitarbeiter, die diese Erwartung während der Pandemie nicht erfüllen konnten und können, haben diese vorher mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht erfüllt, möglicherweise war dies aufgrund der Art der Tätigkeit bisher auch gar nicht erforderlich. Für jede Arbeit ist schließlich ein anderer und spezifischer „Reifegrad“ von Führungskräften und Mitarbeitern erforderlich.

Unternehmen, die erfahren haben, dass Mitarbeiter auch im Homeoffice gut – vielleicht sogar besser – arbeiten, können diese Fähigkeit ihrer Mitarbeiter künftig gezielt nutzen, indem sie Felder identifizieren, in denen agiles Arbeiten eingesetzt werden kann. Das muss nicht nur in Projekten, sondern kann z. B. auch für Bereiche relevant sein, für die übergreifende Ressourcen benötigt werden (z. B. bei der Produktentwicklung, der Prozessanpassung oder der Änderung von Strukturen, aber auch in der Internen Revision). Das heißt jedoch nicht zwingend, dass ein gesamtes Unternehmen „umgekrempelt“ werden muss. Es kann mit Pilotprojekten gestartet werden – und im Weiteren ggf. eine Ausdehnung auf andere Bereiche erfolgen.

Für das agile Arbeiten wird eine entsprechende Unternehmenskultur und ein bestimmter „Reifegrad“ von Mitarbeitern mit den o. g. Eigenschaften benötigt sowie der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen; die Führungskräfte müssen wiederum die Bereitschaft und den Mut mitbringen, Verantwortlichkeiten zu delegieren und damit abzugeben. Hier gilt es, sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter ihrem Naturell entsprechend einzusetzen.


Handlungsbedarf

  • Stellen Sie sich vor, die Pandemie sei zu Ende, und stellen Sie sich folgende Fragen:
    • Wie wollen Sie arbeiten? Weiterhin mobil? In welchem Umfang und für wen?
    • Haben sich Mitarbeiter und/oder Führungskräfte mit einer „freieren“ Arbeitsweise besonders wohl gefühlt und wären sie für agiles Arbeiten geeignet?
    • Sind Sie selbst bereit, Verantwortung abzugeben, zu delegieren und Mitarbeiter eigenverantwortlich arbeiten zu lassen?
    • Gibt es spezifische Bereiche/Themen in Ihrem Unternehmen, die agiles Arbeiten möglich machen?
    • Ist Ihre Firmenkultur bereit für agiles Arbeiten?
  • Sofern Sie sich für agiles Arbeiten entscheiden, identifizieren Sie allgemeine Handlungsfelder (z. B. Change Management zur Weiterentwicklung der Unternehmenskultur, Weiterbildungen für Führungskräfte und Mitarbeiter) und Bereiche, die für agiles Arbeiten geeignet sind.
  • Erstellen Sie einen Umsetzungsplan oder fangen Sie ggf. mit einem Pilotprojekt an.